Montag, 12. März 2007

Nachrufe

Irgendwo, ganz einsam und für sich, steht noch dein Name. Eingebrannt wurde er mir, gebrandmarkt und stolz darauf, wie Teenager- Rebellen nach erstem Tattoo. Du, die Fremde, die nicht zu mir passen wollte und konnte, und ich der, der immer dasein würde. So gaben wir uns ganz unnatürlich, nervös, wussten nicht wo vorne und hinten, wer oben und wer unten zu sein hatte. Du, die stets Hoffende, ich, stets zweifelnd und verzweifelt; plattgetrampelte Pfade der Hoffnung, gebaut von gutmütigen Händen, und langen, gazellenhaften Beinen, ein Weg zu Gott, der sich im Kreise dreht, und den du beschrittst, womöglich heute noch beschreitest. Ich daneben, durch die sumpfigen Moore der Verzweiflung mich schleppend, nur nicht untergehen, immer darüberstehen. Zwei Sinnsuchende, unsere Gemeinsamkeit war das Suchen, in Welt- und Menschenbild so fremd, dass wir nur uns fanden, Gegenpole. Und heute, wo stehst du, wo sitze ich, oder sitzt du, und ich stehe? Allein oder endlich fündig, in immerwährendem Wollen und Zweifel, wie These und Antithese, mit immerfehlender Synthese; immer das wollend, was nicht greifbar, immer bezweifelnd was dir gerade nahe war, verstandest du es nicht, Zweifelhaftes zu erkennen, Wohlwollendes festzuhalten; so sitzt du hier neben mir, willst schon wieder, zweifelst noch, willst doch und willst nichts mehr, gehst, plötzlich, schweigend. Von dir verlassen, schon wieder, diesmal älter, womöglich reifer, deshalb nur in Gedanken, damals in Fleisch und Blut, unter Trauer, Wut. Du warst es doch, die mich wollte, sich um mich bemühte, bis du mich hattest; doch gewann wie immer dein Zweifel, er stieg in dir auf, zuerst langsam, auf unscheinbaren Sohlen, doch dann immer heftiger, nagte an Knochen, biss an Fingerspitzen, durchbohrte mit Zungen kleine Zahnlücken und durchbrach schließlich dein Wollen und somit letzten Widerstand. Dass du mich nicht verletzen wolltest, half mir kaum. Und heute, Jahre später, und trotzdem jung, sehe ich dich, als meine erste, womöglich einzige und letzte Liebe, sehe ich dich als junges, unschuldiges Kindchen, von 13, vielleicht 14 Jahren, und frage mich: was machtest du, in all den Jahren? Was blieb von dem, was du damals warst, wer bist du heute? Glaubst du immer noch an diesen und jenen Übersinn, läuft bei dir immer noch GZSZ im Vorabendprogramm? Und wer war ich damals, dass ich dich jemals berühren durfte, wer bin ich dir heute? Kennst du mich noch, auf einem Foto sehe ich meine Erinnerung an dich, festgehalten, wirst du für mich immer so aussehen, und nebenbei ich, sündhaft jung, frech, zufrieden. Was blieb von ihm, wohl nur wenig, bis auf Oberflächliches und Erscheinung; meinen damaligen Kopf durchkreiste wohl kaum, was heute beschäftigt. Am Kopf, ein paar Haare weniger, die ihren Platz am ansetzenden Bauch fanden, ein kleine Narbe hier oder da, ansonsten trennt ihn vom Bild nichts mit dem vom Spiegel, der gerade vehement behauptet, er sei ich.

Es geht um Freundschaft, nicht um Liebe. Deine Liebe wollte ich immerschon erst, wenn sie mir am Silbertablett mehr geopfert, als geschenkt wurde, doch deine Freundschaft, dein positives, optimistisches Gemüt, es fehlt. Vier, fünf lange Jahre, liebten wir einander mal zu zweit, mal einsam, mal gar nicht, mal du nur mich, mal ich nur dich, doch blieben wir einander immer treu in Abwechslung, verstanden, uns alles schwer zu machen, spielten Spiele, schossen Böcke, hassten und versöhnten wir uns, doch verstanden wir beide wie immer die Synthese aller Gegensätze nicht. Hatten wir uns immer gern, und jetzt? Wo bist du? Lerne ich jetzt erst, was Abschied heißt, oder wirst du wieder kommen, oder lebst du mir, so wie jetzt, im Kopfe weiter? Bist du noch mein krasser Gegensatz, bedarf es noch einer Synthese für uns, ist der Zug endlich abgefahren, nein, dein Bild ist zu präsent, aber sind wir vielleicht abgestumpft, an Mensch, Leben, Leid? Sind wir einander womöglich näher, jetzt, da fremd, da Alter gewissen Kanten, an denen wir nur zu gerne eckten, Schliff und Rundung verpasste?


Ein Dank an die Person, die du warst, auf dass du dich in den Zeilen erkennst, sofern du sie liest, was nicht geschehen wird.

Freundschaftlich, der von damals, der heute ein Anders sein mag.

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