Donnerstag, 12. Februar 2009

Wie die Welt sich dreht

Die moderne Welt, so hört man oft, sei geschrumpft, ja sei winzig geworden. Diese vermeintliche Winzigkeit der Welt entsteht, das weiß der moderne Mensch auch ohne groß zu denken – tut er ja nicht allzu gerne -, durch den technischen Fortschritt. So weit, so gut. Nun wissen wir aus der Physik, dass rotierende Körper ihre Bahngeschwindigkeit erhöhen, wenn sie schrumpfen. Wenn also die Welt tatsächlich immer kleiner wird, so müssen wir auch festhalten, dass sie immer schneller wird. Ob der moderne Mensch so weit gedacht hat, bleibt fraglich. Allerdings möchte ich dem modernen Menschen nicht Dummheit vorwerfen, sondern Geschwindigkeit. Unter der Hektik und dem Druck, der auf dem Menschen lastet, wirkt die Forderung konsequenten Denkens im besten Falle als ein Scherz. Man bedenke schließlich, dass jene Ansprüche, die der moderne Mensch ans Leben stellt, als solche und für sich stehend utopische Ausmaße erreichen. Die Utopie des glücklichen, sorglosen Daseins ist natürlich von vornherein eine Utopie. Nun hängt allerdings diese Utopie auch noch mit Faktoren zusammen, die zu erträumen dem Schöpfer vor den Kopf stoßen müssten, wäre er da. Das Wollen als Motivation ist zwar eine menschliche Eigenschaft wie jede andere, wird jedoch im Kapitalismus unseres winzigen Globus zur einzigen Triebfeder einer Handlung, weswegen jene bei genauerer Betrachtung als grotesk, unnütz oder, meinethalben geistlos für den jeweiligen Betrachter sich entpuppt. Amüsant in diesem Zusammenhang bleibt für mich die unverständliche Wichtigkeit, die der Akteur selbst seiner Handlung zuschreibt, die sich darauf beläuft, etwas zu kaufen, zu konsumieren, zu betrachten. Der moderne Mensch hat zwar Lust auf Anspruchsvolles, Kultur und natürlich auch auf Kritisches jeglicher Art. Was der moderne Mensch aber außen vor lässt ist das Denken. Er will intelligent sein, er will wissen, aber er will nicht schaffen. Hierfür bezahlt er ganz einfach – oder unfassbar kompliziert – Andere. Und selbst diese Anderen scheinen der Gier des Konsums nicht auf Dauer standhalten zu können. Die Informationsflut, die jene bezahlten Denker und Kritiker von sich geben ersticken unter ihrem eigenen Konkurrenzdruck und der Flut an Meldungen, die eine Presseagentur tagtäglich in die Weiten des Webs versendet. Es geht um flächendeckende Quantität, um gut verpackte Kritik, die leicht verdaulich ist. Man will mitreden, informiert sein, aber eigene Gedanken verantworten scheint nicht angebracht. Aus diesem Grund wird auch heute noch über den Sozialismus debattiert, und welche Vorzüge er hat. Über den Kapitalismus, und welch verbrecherisches Schwein er ist. Und über Nationalismus und wie verboten er gehöre. Und über Ausländer, die abgeschoben werden sollten. Immer und immer wieder. Und jeder Ausweg aus einer dieser Diskussionen mündet an einem Eingang der Gegenseite für eine neue Diskussion. Und schließlich, wenn auf inhaltlicher Ebene alle Spannungen gegeneinander abgewogen wurden, und sich aus verzwickten Gründen (die eigentlich sehr simple Idealismus verwandte dogmatische Fundamente darstellen) wie üblich kein Konsens herstellt, wird auf persönlicher Ebene weiterdiskutiert, und sich Dummheit und allerlei anderes (ein paar Klassiker: Engstirnigkeit, Konservativismus, Intoleranz, etc.) vorgeworfen. Aber hieran kann es nicht liegen. Der Mensch als solcher ist nicht grundsätzlich dumm. Im Gegenteil, die Vernunftbegabung des Menschen kennt zumindest theoretisch keine Grenzen. Bei der geistigen Verarmung, die immer weitere Kreise zu ziehen scheint, geht es um Bequemlichkeit. Dass die Politik sich angesichts der Wirtschaftskrise ins Fäustchen lacht, hat nichts mit ihrer Dummheit zu tun, sondern damit, dass es einfach ist, jenen Managern, die noch vor wenigen Jahrzehnten die Landesväter von ihren Thronen stießen, heute vorzuwerfen, verantwortungslos gehandelt zu haben. Der Politiker von heute poliert hier sein geschwächtes Ego, das sehr stark unter kapitaldiktatorischen Tendenzen zu leiden hatte, und löst sich gleichzeitig los von jeder Schuld, da er ja schließlich unter diesem Diktat einer Gegenhandlung nicht fähig war. Der Zirkelschluss ist augenscheinlich, ebenso wie die Forderung nach mehr Staat in der Wirtschaft dieser Bequemlichkeit der Unverantwortung unterliegt und augenscheinlich ist. Allein die Forderung nach Verstaatlichung ist schwachsinnig angesichts der Tatsache, dass mehr Staat für jene Unternehmen, die den Staat finanziell tragen, ohne Staat überhaupt nicht mehr stehen könnten, wodurch auch der Staat selbst ins Wanken geriete. Ob diese Tendenz hin zum wankenden Staat noch aufzuhalten ist, bleibt Aufgabe einer anderen Diskussion. Hier geht es, substanzieller, um den modernen Menschen selbst, und um die Bequemlichkeit desselben, sich solange aus der Affäre zu ziehen, bis die Affäre ihn selbst zu ziehen beginnt. Und auch um die Bequemlichkeit, sich Gedanken vorsetzen zu lassen. Bequem daran ist vor allem, dass man Verantwortung tatsächlich abweisen kann, wenn die Gedanken nicht die Eigenen sind. Hieraus ergibt sich, wie bereits erwähnt, nicht ein Problem der Dummheit, sondern ein Problem der Ideenlosigkeit. Entstünde Neues, müsste man nicht heute noch stalinistisch- marxistisches Gefasel ertragen, und auch Debatten über einen politischen Rechtsruck (ob dieser nun tatsächlich festzustellen ist oder nur scheinbar, soll hier ebenso wenig beantwortet werden, wie der wankende Staat) könnte man sich ersparen. Das Problem, vor dem der Moderne Mensch steht, ist, dass er seine Welt nicht gestalten will, sondern sich selbst. Und da der moderne Mensch keinesfalls Rassist sein will, muss er gezwungenermaßen Sozialist sein, ist er dies nicht, so wird ihm entweder vorgeworfen, er sei Kapitalist, oder eben Rassist, oder meistens gleich beides. Es fehlt dem modernen Menschen die denkerische Alternative, und er selbst ist nicht imstande, diese zu schaffen. Und so dreht sich die Welt immer und immer schneller um dieselben alten Fragen, ohne je Antworten zu erhalten, ihrem eigenen Kollaps entgegen. Diese etwas theatralische Vision des Kollaps darf der denkende Mensch von heute nun auslegen, wie er will. Im Repertoire des Autors: ökonomische Krise, Klimakrise bzw. ökologische Krise, Glaubenskrieg, Terrorismus.
Wirklich plagend ist jedoch nicht die Angst vor einer globalen Krise, denn um diese abzuwehren, scheint mir der Mensch schlau genug. Wirklich grausam ist die Vorstellung des denkerischen Stillstands, der seit dem Ende des 2. Weltkriegs zumindest auf politisch- gesellschaftlicher Ebene den alten Kontinenten in alte Kategorien presst und hemmt und jeden Fortschritt im Keim erstickt.

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