Dienstag, 7. April 2009

Supermärkte

Es gibt nicht viele Errungenschaften der Moderne, die ich mehr verabscheue als Supermärkte. Spar, Hofer, Billa, Lidl, Penny, alle sind sie gleich, verkaufen den gleichen Mist unterschiedlich verpackt und zu verschiedenen Preisen. Sie sehen gleich aus, sie riechen gleich, haben dieselben Verkäuferinnen und Verkäufer und sind mir allesamt verhasst. Ihre Gänge schlängeln sich gleich durch die Produktpaletten, der immergleiche Fliesenboden, die Wurstabteilungen, die Tiefkühlabteilungen, es ist Ein und Dasselbe, unterschiedlich verpackt, unterschiedlich vermarktet, Zielgruppenorientiert. Rot- gelbe Uniformen, etwas teurer, gute Qualität. Blau- gelbe Uniformen, billig, Qualität akzeptabel. Grün- weiße Uniformen, alles durchschnittlich und so weiter...
Alles ist zugeschnitten, alles geordnet, alles so, wie es die jeweilige Zielgruppe haben möchte. Die Billigeinkäufer, am unteren Ende der sozialen Leiter kaufen ihre Verpackungen mit den ihnen vertrauten Warennamen, die sogenannte Mittelschicht hört auf den Hausverstand, kauft Bio und fühlt sich gut dabei. Einkaufen als Selbstzweck, einkaufen für eine bessere, gesündere Welt.
Nur die Oberschicht findet man nicht in Supermärkten, sie müssen ja nicht selbst hingehen.
Im Hintergrund stehen Großkonzerne, sogenannte Global Players, die sowohl die Billigpaletten als auch die qualitätsbewussten Regale problemlos füllen, weltweit. In Billiglohnländern produziert, in Österreich abgepackt, dazwischen ein paar Tausend Kilometer Viehtransport und nicht zu unrecht ist der Österreicher stolz auf die gute Qualität des österreichischen Rindviehs. Schließlich schmeckt es und hat ein rot-weiß rotes Gütesiegel auf der Verpackung; und sollte es einmal nicht schmecken wird es einfach mit einem kräftigen Schluck Bier, ebenfalls gebraut und abgefüllt in Österreich, aus demselben Supermarkt gekauft, hinuntergespült. Man muss der europäischen Union tatsächlich gratulieren. Sie hat es geschafft, die Grenzen derart zu öffnen, dass auch Kühe heute problemlos von Österreich nach Polen wandern können, dort von polnischen Bauern eingefangen werden, zurück nach Österreich gebracht und hierzulande geschlachtet werden, sodass sie ein AMA Gütesiegel erhalten. Ich frage mich, wie diese Geistesmenschen nur den Überblick behalten.

Nur die Oberflächen der Supermärkte sind unterschiedlich, vermitteln dem Käufer ein Muster von Optionen, zeigen dem Konsumenten seine Möglichkeiten. Dieser glaubt dann, frei entscheiden zu können, wohin er sein Geld steckt, und was er in sich hineinstopft. Natürlich weiß er nichts von den Duftstoffen, die durch die Ventilationssysteme in die Supermärkte gepumpt werden und zum Kauf animieren sollen oder von der gemeinen Regalordnung, die ihm nahe legt möglichst viel Mist zu kaufen, den er überhaupt nicht braucht, von den Farben und der Werbung aus den Lautsprechern, alles zum Zwecke, ihn schwach zu machen, seinen Willen zu brechen, sodass er irgendwann im Kaufrausch jegliche Zügel fallen lässt.

Aber all dies ist doch nur läppische Sozialkritik, die keinem hilft, ist geistige Selbstbefriedigung und pseudo- revolutionäres Gefasel angesichts der Zustände, die wirklich in den Supermärkten herrschen. Der Supermarkt ist nämlich das Jagdrevier des modernen Menschen. Überall potentielle Beute, überall Jagdrivalen.
Und ich stehe inmitten eines Gewirrs unterschiedlichster Menschen und es übermannt mich wie ein Stromschlag: der Jäger des modernen Zeitalters ist die Frau. Ich blicke durch die Gänge, sehe gestresste Hausfrauen von einem Sonderangebot zum Anderen jagen, sehe sie Preise vergleichen, angestrengt kopfrechnen, sehe, wie sie Verfallsdaten prüfen, wie sie aus Erfahrung Milchpackungen von den hinteren Ecken der Kühlregale schleifen, wie sie untersuchend Gemüse zerquetschen um es dann wieder zurück in den Korb zu werfen, sehe wie sie sich aneinander vorbei drängeln, zur Kasse stürmen, Bank- und Kundenkarten zücken, Geld zählen, Geld zurück nehmen, Rechnungen prüfen immer auf der Suche nach dem besten Angebot, nach dem ultimativen Preishit, nach möglichst viel Beute für möglichst wenig Geld. Und ich frage mich kurzerhand, ob ihnen all das wirklich nicht peinlich ist, ob sie es ertragen können, weil sie alle gleich handeln und sich so nicht- oder wenn für alle- schämen müssen. Ich nämlich muss mich fremd- schämen, jede Sekunde in dem Supermarkt ist die pure Peinlichkeit des Menschen, der sich ungeniert preisgibt.

Und neben den ungenierten Hausfrauen- Sklaven der noch ungenierteren Fernsehwerbung und ihrem eigenen Einkaufsstolz - sehe ich entnervte Männer, sehe mich selbst: am Einkaufswagen angelehnt, degradiert zum Helfer, keine Entscheidung geht von mir aus, ich darf nur den Wagen zu den aufgesuchten Regalen schieben, vorbei an all den anderen armen Hunden, die ebenfalls gekränkt am Einkaufswagen stehen und auf Befehle ihrer grausamen Frauen warten. Ich sehe die Männer die Wagen einräumen, sie packen, parken, chauffieren ihre Frauen von einem Sonderangebot zum Nächsten, kein Stolz, keine Kraft in den Augen. Degeneriert und untergeordnet, dem starken Geschlecht auf ihrem Gebiet willenlos ausgeliefert wünscht ein Jeder sich dasselbe: nie wieder in einen Supermarkt zu müssen.
Der Mann erträgt nicht, dass er sich durch den Fortschritt selbst überflüssig gemacht hat. Deshalb lenkt er sich davon ab, treibt Sport, arbeitet, schreibt schlaue Bücher oder betrinkt sich. Aber im Supermarkt kann er nicht anders, als sein Unglück zu erkennen, wie ein Spiegel wirft er ihm die gesellschaftlichen Parameter vor die Augen, reflektiert ihm seine eigene Unbrauchbarkeit.
Und die Hausfrauen rennen weiter wie verrückt ihre Kreise, entscheiden, im Billa keine Taschentücher zu kaufen und sagen ihren Männern: „Wir müssen noch Taschentücher im Hofer kaufen, die sind dort billiger und auch ganz gut.“ Und der Mann sagt nichts. Er lässt mit sich Geschehen, steigt ins Auto, fährt zum Hofer, nachdem der Hausverstand ihn zum wiederholten Male aus dem Lautsprecher auffordert, eine Kundenkarte zu registrieren, um Rabatt zu erhalten. Seine Gebieterin allerdings hat diese Karte schon lange, kein Wunder, wenn’s der Hausverstand empfiehlt, und spart dadurch stolze 1 Euro 76 Cent und hat durch die verblödeten Rechnereien eine derart unrunde Gesamtsumme, dass ihre Geldtasche den Eindruck einer Kupferschmiede erhält. Hauptsache gespart, egal wie viel. Das Geschäft verlassen in dem Glauben, gut eingekauft zu haben. Und vor dem Geschäft noch schnell einigen bekannten Hausfrauen von dem verbilligtem Gouda erzählen, sich als bewusste Einkäuferin ins rechte Licht rücken, zeigen: man weiß, was man kauft, man ist, was man isst, zeigen: man lebt bewusst. Dies ist der Zweck des Einkaufes, darum geht es. Dass die Hausverstand- Marketing Agentur dies längst erkannt hat und eiskalt genau darauf abzielt, es ausnützt, bleibt verschleiert.

So steht zwar nun seit 1 Woche Joghurt bei uns im Kühlschrank, das keiner frisst, aber immerhin war’s verbilligt. So fährt man 15 Minuten vom Billa zum Hofer, um 63 Cent bei Taschentüchern zu sparen, die unbemerkt in Benzinkosten fließen. So fühlt sich der Mann mit jedem Einkauf noch ein wenig elender, die Frau ein wenig stolzer. Sie entscheidet, was zu welchem Preis gegessen wird, was gut ist, was gesund ist und wie viel gewisse Produkte wert sind. Und das gesellschaftliche Produkt Mann hat auch seinen Wert: er schiebt die ganze Scheiße vor sich hin, bis ihm der Kragen platzt, er Frau und Kinder stehen und liegen lässt, weil er es nicht mehr länger ertragen kann, Objekt dieses Irrsinns zu sein, geht wieder auf die Jagd, reiht sich ein, in fortgeschrittenem Alter, in die zwischenmenschliche Billigproduktpalette des Tresens seiner Stammkneipe, wird benutzt, weggeworfen, recycled, ausgetauscht bis er sich seinen letzten Stolz hat nehmen lassen, seinen letzten klaren Gedanken hat weggesoffen, mit billigem Hofer Rum und Dosenbier.

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