Ländliche Betrachtungen: Vom Weinviertel. Ein Pars-pro-toto-Lokalaugenschein.
Für seinen Einfallsreichtum ist der Österreicher nicht bekannt. Für die Kreativität wird er ja nicht bezahlt und überhaupt gibt es keinen Grund, Kreatives zu tun und es macht hierzulande, so scheint es, niemand etwas, ohne irgendeinen fadenscheinigen Grund zu haben. Weil der Österreicher in dieser Hinsicht also ein Zweck-Mittel-Rationalist ist, ist seine Kreativität die reinste Prgamtik. Wenn er zum Nachdenken gezwungen ist, generiert er durchaus Output, allerdings ist dabei sein Maßstab weder das Schöne, noch das Gute oder das Amüsement, sondern lediglich das Zweckdienliche. Deshalb isst der Österreicher immer dasselbe: vom Schweins- über den Kalbslungenbraten bleibt der Braten, er trinkt immer das Gleiche – vom Apfel- bis zum Hollunderblütensaft bleibt der Saft –, und die Ortschaften heißen alle Brunn, Bruck, Berg oder Feld mit einem Zusatz, der den genaueren Zustand dieser Ortschaften charakterisieren soll: Seefeld, Landsberg, Bruck an der Leitha und Hollabrunn zum Beispiel. Immer dasselbe Spiel führt den Österreicher also zum Erfolg: diese Strategie, ein Wort mit anderen Wörtern genauer zu charakterisieren, macht ihm seine Welt handhabbar und einfach. Das ist zwar nicht schön, aber dafür unkompliziert.
Ein großartiges Beispiel für diese Charakterisierungen liefert uns das so genannte Weinviertel. Das Weinviertel beschreibt das, was es ist, derart treffend, dass einem in den Sinn kommen könnte, der Kaiser habe seinerzeit die Essenz dieser Gegend in ein Wort verpackt und damit die Idee im Begriff festgehalten. Da der Kaiser aber mit Sicherheit kein Platoniker, sondern wohl eher kaiserlich-königlicher Pragmatiker war, stellt sich die Frage, ob selbiger überhaupt wusste, was er tat, wenn er das Weinviertel als Weinviertel definierte, oder aber ob er einfach seinem tiefen, habsburgischen Instinkt – diesem tiefen österreichischen Urinstinkt stets der Handhabbarkeit entgegenzudenken – gefolgt ist. Das Essentialistische am Begriff Weinviertel ist nämlich nicht nur die Ortsbeschreibung – ein Viertel, in dem hektarweise Wein vor sich hin wächst, sondern darüber hinaus auch noch der Umstand, dass das Leibgetränk eines jeden Weinviertlers das Weinvierterl ist, und das, eo ipso, jeder Weinviertler auf doppelte Weise als regelrechter Weinviertler durchgehen kann: einmal eben als jener Typus Mensch, der in der Gegend des Weinviertels zuhause ist, ein andermal als jener Typus, der sich den Wein viertelweise in die bäuerlicher Figur hineinkippt. Damit nicht genug: der Weinviertler gebraucht das Wort Weinviertel nicht nur nominal, sondern auch als so genanntes Tun-Wort: Weinvierteln, das ist etwas, das man auch tun kann, zumindest im Weinviertel. Der Weinviertler geht in der Regel auf ein paar „Vialn“, und – durchaus dem österreichischen Pragmatismus folgend – er muss dazu nicht notwendigerweise einen ganzen Satz: „Gemma auf a boa Vialn“ ausformulieren, er kann auch einfach fragen, ob man nicht „Vialn“ gehen wolle. Dies hilft dem Weinviertler vor allem, wenn er schon ein paar solcher „Vialn“ intus hat und sich die unnötigen, zungenbrecherischen Worte, ersparen will, wo er nur kann.
Nicht nur aufgrund sprachlicher Kuriositäten oder habituellen Untersuchungen des Österreichers an sich aber lohnt ein Besuch in das Weinviertel. Diese durchaus sterbende Gegend geizt nicht mit landschaftlichen Reizen, und auch Speis und Trank sind von höchstem qualitativem Gut. Wer den biederen Bergmenschen, den für seine Breite zu kurzen und für seine Kürze zu breiten Bergbauerntypus, wie er in Zell am See und anderen hochalpinen Gegend zuhause ist, gewohnt ist, wird sich auch der Freundlichkeit des Weinviertlers erfreuen können. Der Weinviertler ist nämlich im Gegensatz zum Bergmenschen durchaus erfreut, wenn er Fremde begrüßen darf, er lädt diese gerne auf ein „Vial“ ein und auch wenn sich der Verdacht, dass diese Freundlichkeit vielleicht nur eine ertrunkene ist, nicht abschütteln lässt, so ist sie dennoch vorhanden, findet sich doch anderswo – nicht nur in den Bergen, auch der Wiener ist von solcher Art – nicht einmal im Rausch jene Freundlichkeit, die dem Weinviertler anhaftet.
Ja, weil die meisten Menschen aus dem Weinviertel wegziehen, weil es dort außer Wein und Weinvierteln nicht viel zu tun gibt, freuen sich jene hartgesottenen und verbliebenen Weinviertler durchaus über Fremde, während sie anderswo eigentlich unerwünscht sind und nur des Geldes wegen als notwendiges Übel des Überlebens geduldet werden. Der Weinviertler bemüht sich regelrecht um jene Verirrten, die ihn besuchen kommen, die hervorragende Qualität der Lebensmittel und die idyllischen Plätze jener vergessenen Genussregion sind einen Besuch durchaus wert, vor allem, weil das Weinviertel Preise anschlägt, die einem Pinzgauer und Wahlwiener beinahe unverschämt günstig erscheinen.
Insofern darf der Pragmatismus in dieser Region nicht verwundern: was sollen sie ihre Begriffe ästhetisch aufladen, wenn das Schöne vor der Haustüre wartet? Was sollen sie das Gute suchen, wenn sie es täglich zubereiten? Und was sollen sie schließlich das Amüsement forcieren, wenn sie doch von mehr Wein umgeben sind als man, ja als Diyonisos selbst je saufen könnte?
Dass das Weinviertel nichtsdestotrotz eine sterbende Gegend ohne Arbeit und Perspektive ist, ist ein trauriger, ein bedenklicher Umstand. In den Dörfern tummeln sich alte Leute, die Jungen zieht es in die Städte und der Tourismus, der in den Bergen dieser Tendenz zumindest partiell Einhalt gebieten kann, ist hier nicht stark und lukrativ genug, um sie zurückzuhalten. Aber wer den Massentourismus gewohnt ist, wird auch dieser entschleunigenden Leere einiges abgewinnen können und vor allem für den Besucher wartet hier das beste Angebot, weil die entsprechende Nachfrage fehlt. Während im Pinzgau ein jeder Besucher nur einen Preis hat, wird demselben im Weinviertel auch ein Wert zugestanden, könnte man Kant sagen. Aber mit Kant will man bekanntlich (Vgl. "Das große Wagnis") nichts sagen.
Ein großartiges Beispiel für diese Charakterisierungen liefert uns das so genannte Weinviertel. Das Weinviertel beschreibt das, was es ist, derart treffend, dass einem in den Sinn kommen könnte, der Kaiser habe seinerzeit die Essenz dieser Gegend in ein Wort verpackt und damit die Idee im Begriff festgehalten. Da der Kaiser aber mit Sicherheit kein Platoniker, sondern wohl eher kaiserlich-königlicher Pragmatiker war, stellt sich die Frage, ob selbiger überhaupt wusste, was er tat, wenn er das Weinviertel als Weinviertel definierte, oder aber ob er einfach seinem tiefen, habsburgischen Instinkt – diesem tiefen österreichischen Urinstinkt stets der Handhabbarkeit entgegenzudenken – gefolgt ist. Das Essentialistische am Begriff Weinviertel ist nämlich nicht nur die Ortsbeschreibung – ein Viertel, in dem hektarweise Wein vor sich hin wächst, sondern darüber hinaus auch noch der Umstand, dass das Leibgetränk eines jeden Weinviertlers das Weinvierterl ist, und das, eo ipso, jeder Weinviertler auf doppelte Weise als regelrechter Weinviertler durchgehen kann: einmal eben als jener Typus Mensch, der in der Gegend des Weinviertels zuhause ist, ein andermal als jener Typus, der sich den Wein viertelweise in die bäuerlicher Figur hineinkippt. Damit nicht genug: der Weinviertler gebraucht das Wort Weinviertel nicht nur nominal, sondern auch als so genanntes Tun-Wort: Weinvierteln, das ist etwas, das man auch tun kann, zumindest im Weinviertel. Der Weinviertler geht in der Regel auf ein paar „Vialn“, und – durchaus dem österreichischen Pragmatismus folgend – er muss dazu nicht notwendigerweise einen ganzen Satz: „Gemma auf a boa Vialn“ ausformulieren, er kann auch einfach fragen, ob man nicht „Vialn“ gehen wolle. Dies hilft dem Weinviertler vor allem, wenn er schon ein paar solcher „Vialn“ intus hat und sich die unnötigen, zungenbrecherischen Worte, ersparen will, wo er nur kann.
Nicht nur aufgrund sprachlicher Kuriositäten oder habituellen Untersuchungen des Österreichers an sich aber lohnt ein Besuch in das Weinviertel. Diese durchaus sterbende Gegend geizt nicht mit landschaftlichen Reizen, und auch Speis und Trank sind von höchstem qualitativem Gut. Wer den biederen Bergmenschen, den für seine Breite zu kurzen und für seine Kürze zu breiten Bergbauerntypus, wie er in Zell am See und anderen hochalpinen Gegend zuhause ist, gewohnt ist, wird sich auch der Freundlichkeit des Weinviertlers erfreuen können. Der Weinviertler ist nämlich im Gegensatz zum Bergmenschen durchaus erfreut, wenn er Fremde begrüßen darf, er lädt diese gerne auf ein „Vial“ ein und auch wenn sich der Verdacht, dass diese Freundlichkeit vielleicht nur eine ertrunkene ist, nicht abschütteln lässt, so ist sie dennoch vorhanden, findet sich doch anderswo – nicht nur in den Bergen, auch der Wiener ist von solcher Art – nicht einmal im Rausch jene Freundlichkeit, die dem Weinviertler anhaftet.
Ja, weil die meisten Menschen aus dem Weinviertel wegziehen, weil es dort außer Wein und Weinvierteln nicht viel zu tun gibt, freuen sich jene hartgesottenen und verbliebenen Weinviertler durchaus über Fremde, während sie anderswo eigentlich unerwünscht sind und nur des Geldes wegen als notwendiges Übel des Überlebens geduldet werden. Der Weinviertler bemüht sich regelrecht um jene Verirrten, die ihn besuchen kommen, die hervorragende Qualität der Lebensmittel und die idyllischen Plätze jener vergessenen Genussregion sind einen Besuch durchaus wert, vor allem, weil das Weinviertel Preise anschlägt, die einem Pinzgauer und Wahlwiener beinahe unverschämt günstig erscheinen.
Insofern darf der Pragmatismus in dieser Region nicht verwundern: was sollen sie ihre Begriffe ästhetisch aufladen, wenn das Schöne vor der Haustüre wartet? Was sollen sie das Gute suchen, wenn sie es täglich zubereiten? Und was sollen sie schließlich das Amüsement forcieren, wenn sie doch von mehr Wein umgeben sind als man, ja als Diyonisos selbst je saufen könnte?
Dass das Weinviertel nichtsdestotrotz eine sterbende Gegend ohne Arbeit und Perspektive ist, ist ein trauriger, ein bedenklicher Umstand. In den Dörfern tummeln sich alte Leute, die Jungen zieht es in die Städte und der Tourismus, der in den Bergen dieser Tendenz zumindest partiell Einhalt gebieten kann, ist hier nicht stark und lukrativ genug, um sie zurückzuhalten. Aber wer den Massentourismus gewohnt ist, wird auch dieser entschleunigenden Leere einiges abgewinnen können und vor allem für den Besucher wartet hier das beste Angebot, weil die entsprechende Nachfrage fehlt. Während im Pinzgau ein jeder Besucher nur einen Preis hat, wird demselben im Weinviertel auch ein Wert zugestanden, könnte man Kant sagen. Aber mit Kant will man bekanntlich (Vgl. "Das große Wagnis") nichts sagen.
ledsgo - 23. Aug, 13:01