Kinder
[...] Und ich war nicht nur zutiefst davon überzeugt, dass so ein Kind so etwas wie ein lüsterner Zwerg mit angeborener Grausamkeit ist, der sogleich die schlimmsten Züge seiner Gattung zum Ausdruck bringt und von dem sich die Haustiere in weiser Vorsicht abwenden. Nein, hinzu kam noch ein tief in mir verankertes Entsetzen, ein wahres Entsetzen vor dem endlosen Leidensweg, den das Dasein der Menschen darstellt. Der Säugling ist das einzige Lebewesen, das seine Gegenwart unmittelbar nach der Geburt durch unablässige Schmerzensschreie zum Ausdruck bringt, und zwar weil er leidet, weil er auf unerträgliche Weise leidet. [...] Jeder unparteiische Beobachter kann nur bestätigen, dass der Mensch nicht glücklich sein kann, er absolut nicht für das Glück geschaffen ist und ihn daher kein anderes Los erwarten kann, als Unglück zu verbreiten, indem er das Dasein seiner Mitmenschen ebenso unerträglich macht wie sein eigenes - seine ersten Opfer sind im allgemeinen die Eltern.
~ Michel Houllebecq - Die Möglichkeit einer Insel
~ Michel Houllebecq - Die Möglichkeit einer Insel
ledsgo - 16. Mai, 13:52