Wenn der Zeller nicht andere Zeller hätte, über die er schimpfen könnte, hätte sich die Sprache hier wohl nicht festgesetzt.
Ich schaue mich um
auf dieser Welt
die mir nichts
entgegenstellt
Ich atme ein
und wenn ich laufe
wird die Atmung schneller sein
und Ich atme aus
wenn die Luft
in mir
verpufft
wenn ich auf dem Boden liege
kann ich sehen
wie ich mich biege
- langsam nun
und so schaue ich
und atme
und bin leer
in mir nur luft
und ihr städtischer Duft
das Leben ist nicht schwer.
Heute war ich auf der sogenannten "Erlhofplatte". Und wie ich also auf der "Erlhofplatte" herumirre und herumsuche und herumhänge fällt mir auf, dass weder ein Erl, noch ein Hof, noch eine Platte auf der sogenannten "Erlhofplatte" vorhanden sind, es gibt auch keine Erlplatte und keine Hofplatte, nur einen "Erlhof" gibt es, und der "Erlhof", der ist von der "Erlhofplatte" so weit entfernt wie, sagen wir, der Gipfel des sogenannten "Hundstein", der ja auch völlig unsinnigerweise "Hundstein" genannt wird, auch für den sogenannten "Hundstein" gibt es keinen vernünftigen Grund dafür, dass man ihn gemeinhin als "Hundstein" bezeichnet und es gibt auch keinen Grund dafür, die "Erlhofplatte" nicht einfach "Hundsteinplatte" zu nennen, und dabei ist die "Erlhofplatte" ja nicht einmal eine Platte, höchstens eine Felswand oder ein Plateau, aber niemals eine Platte, trotzdem nennt der Pinzgauer die "Erlhofplatte" "Erlhofplatte". Nicht einmal für den "Erlhof" gibt es irgendeinen nachvollziehbaren Grund dafür, dass man ihn "Erlhof" nennt, er hat ja nichts mit einem Erl zu tun, auch nicht mit dem Erlkönig, und von einem Earl, der hier einst hausierte, weiß man auch nichts, und wüsste man von ihm, so wäre es doch mehr als großzügig, dies als rechtfertigbaren Grund hinzunehmen, aber es wäre doch zumindest irgendein Grund.
Und so gibt es also im sogenannten "Zell am See" eine "Erlhofplatte" und einen "Erlhof", die nichts miteinander gemein haben, als dass sie beide am "Hundsstein" fußen, und der hat wieder nichts mit einem Hund zu tun und mit Steinen nur insofern, als er aus ihnen besteht und dass sie auf ihm herumliegen. Alles das ist ja wieder nichts anderes als die völlige Kreativlosigkeit des Pinzgauers, die völlige Geistesabwesenheit und Zufriedenheit mit irgendeinem Namen, der völlige und reine Pragmatismus eines Bergvolkes am Rande eines Sees, ja selbst für ihren Wohnort, dem sogenannten "Zell am See" ist ihnen nichts besseres eingefallen als das "Zell", sozusagen der Mayr unter den österreichischen Ortschaften, mit dem Anhängsel "Am See", ein Anhängsel, dass ja nichts mit Kreativität zu tun hat, sondern nur eine Feststellung ist, und sogar unter den Feststellung noch eine höchst Banale.
Und so ist überhaupt alles, was in Zell am See jemals benannt wurde, immer nur pragmatisch benannt worden, und nie künstlerisch, und überhaupt ist alles, was in Zell je gesagt wurde, immer nur pragmatisch gesagt worden und nie geistig, weil der Zeller ja immer nur ein Zweckmensch war, und der Zweck war immer nur ein physischer, nie ein geistiger. Der Zeller hat sich ja immerschon nur körperlich befriedigt, und nie geistig. Und jeder, der in Zell dann irgendwann einmal gefragt hat, warum dieses oder jenes so sei, wie es also in Zell ist, dann war dieser von vornherein so suspekt, dass er gleich wieder vertrieben werden musste, weil in Zell am See ja überhaupt kein Platz ist für irgendetwas Geistiges, es ist ja überhaupt kein Platz in Zell, Zell ist ja physisch schon so eng, dass das Geistige immerschon aus Zell hinausgedrückt wurde.
Und wenn das Geistige dann hin und wieder zurückdrückt auf irgendeinen Zeller, wenn es ihm selbst plötzlich zu eng wird zwischen den Bergen, dann rennt der Zeller auf die Berge hinauf und wieder hinunter, rennt durch den Wald oder um den See, weil ihn das Geistige und das Denkerische und das Kreative plagen, weil er es nicht haben will, das Denkerische, und darum rennt er und ist immerschon gerannt. Der Zeller war ja nie ein Kreativer, bei keiner Arbeit hat ein Zeller je durch Kreativität geglänzt, bei keinem Sport war ein Zeller jemals aus einem anderen Grund erfolgreich, als dass er gerannt wäre und gerackert hätte und gekämpft, aber Kreativität, sogenannter „Spielwitz“ hat dem Zeller immerschon und von Anfang an gefehlt, wie dem Zeller ganz allgemein jeder Witz fehlt, jede Leichtigkeit.
Zell am See war für jeden von Anfang an immerschon nur ein Kampf mit sich selbst und mit allen Anderen, und das auf engstem Raume. Und deshalb also musste der Zeller sich zwangsweise Dinge überlegen, die ihn vom Denken abhalten, und deshalb schließlich rennt, und arbeitet und rackert der Zeller wie ein Verrückter, weil er also nicht Denken will, und gerade deshalb ist gerade der Zeller auch der Prototyp eines guten Arbeiters oder Soldaten, weil er immerschon ein Durchführer war und nie ein Überleger. Und weil er also nie überlegt hat, auch dann nicht, wenn es nichts mehr zum Durchführen gab, rennt er auf die Berge und alle rennen sie zu bestimmten Zeiten auf bestimmte Berge und deshalb also gab der Zeller den Bergen die Namen, die ihnen anhaften, damit er weiß, wohin er rennt und damit er erzählen kann, wo er hingerannt ist und damit er vergleichen kann, wohin die Anderen, und wie Lange die Anderen gerannt sind, weil die Anderen, vor denen er auf die Berge wegrennt, ja dann doch immer die sind, denen er erzählt, wo er war, und aus diesem Grund also, und aus keinem Anderen heißt die „Erlhofplatte“ „Erlhofplatte“, das ist die Wahrheit.
Und tatsächlich verhält es sich so, dass sowohl das Verrichten des täglichen Geschäftes, als auch das Verfassen einer Seminararbeit, eine Frage der Geduld ist. Aber keineswegs spreche ich von jener billigen Geduld, die da sagt, die Dinge würden ohnehin auf Einen zukommen, oder dass in der Ruhe sowieso die Kraft liege und überhaupt. Vielmehr ist es eine Frage der Geduld, wie lange man gewillt ist, sich Dinge anzulesen, oder etwas in sich hineinzustopfen ohne sich vorher übergeben zu müssen. Wenn der Student sich dann lange genug irgendwelche Dinge einverleibt hat, wird er auf den Geschmack kommen. Er wird das, was ihm bekommt scheiden können von dem, was ihm Brechreiz verursacht. Wenn dieses schmackhafte Hineinstopfen dann irgendwann die Maschine überfüllt und verstopft, ist es eine weitere Frage der Geduld, bis auch der sogenannte Output veräußert wird.
Es wird das, was einverleibt wurde sozusagen verdaut und, in mehr oder weniger konsistenter Art und Weise wieder ausgeschieden, wenn lange genug gedrückt wird. Was sich dann veräußert hängt nicht nur von dem Stoff, der hineingestopft wurde, sondern auch vom Verdauungssystem des Studenten sowie der Aufnahmegewohnheit desselben ab. So wird einer mit guter Verdauung und gutem Geschmack früher oder später - eben je nach Geduldigkeit - vielleicht einen etwas schöneren Output liefern.
Aber im Großen und Ganzen ist es so, dass jeder, der lange genug stopft und wartet, irgendetwas veräußert: und sei es nur heiße Luft oder der braune Einheitsbrei, der Einem allerorts vorgesetzt wird.
http://rahmengedanken.twoday.net/stories/5747693/
Wie ein Flugzeug, das nicht startet
Seinen Zweck verfehlt und sich nicht abhebt
hat auch der Mensch, der wartet
letztlich nur vorbeigelebt
Hat seine Zeit nur überbrückt
Sich selber totgeschlagen,
und aufgehängt an tausend Fragen
bis sie ihr leises Messer zückt
und ohne Hast beginnt
sodass mit jedem Schnitt
des Menschen Zeit verrinnt
und jeder hilflos kleine Schritt
auf eine andre wackelnd Stufe tritt
und doch am Ende gibt es nichts
dass ihr vielleicht entrinnt
und mit dem armen Menschen
verlischt auch seine Zeit
überschritten sind die Grenzen
hin zum Nichts der Ewigkeit
in dem letzten Augenblick
der zeitlich noch begrenzt
vor seinem Geist ein Bilde glänzt
er versucht es noch zu greifen
sich daran zu klammern
doch kann höchstens noch die Blicke streifen
auf seinem Weg in dunkle Kammern
deren Türen für immer sich verschließen –
und ewig bleiben sie verschlossen
es ist des Menschen Schicksal
von Anfang an in Zeit gegossen.
Es gibt nicht viele Errungenschaften der Moderne, die ich mehr verabscheue als Supermärkte. Spar, Hofer, Billa, Lidl, Penny, alle sind sie gleich, verkaufen den gleichen Mist unterschiedlich verpackt und zu verschiedenen Preisen. Sie sehen gleich aus, sie riechen gleich, haben dieselben Verkäuferinnen und Verkäufer und sind mir allesamt verhasst. Ihre Gänge schlängeln sich gleich durch die Produktpaletten, der immergleiche Fliesenboden, die Wurstabteilungen, die Tiefkühlabteilungen, es ist Ein und Dasselbe, unterschiedlich verpackt, unterschiedlich vermarktet, Zielgruppenorientiert. Rot- gelbe Uniformen, etwas teurer, gute Qualität. Blau- gelbe Uniformen, billig, Qualität akzeptabel. Grün- weiße Uniformen, alles durchschnittlich und so weiter...
Alles ist zugeschnitten, alles geordnet, alles so, wie es die jeweilige Zielgruppe haben möchte. Die Billigeinkäufer, am unteren Ende der sozialen Leiter kaufen ihre Verpackungen mit den ihnen vertrauten Warennamen, die sogenannte Mittelschicht hört auf den Hausverstand, kauft Bio und fühlt sich gut dabei. Einkaufen als Selbstzweck, einkaufen für eine bessere, gesündere Welt.
Nur die Oberschicht findet man nicht in Supermärkten, sie müssen ja nicht selbst hingehen.
Im Hintergrund stehen Großkonzerne, sogenannte Global Players, die sowohl die Billigpaletten als auch die qualitätsbewussten Regale problemlos füllen, weltweit. In Billiglohnländern produziert, in Österreich abgepackt, dazwischen ein paar Tausend Kilometer Viehtransport und nicht zu unrecht ist der Österreicher stolz auf die gute Qualität des österreichischen Rindviehs. Schließlich schmeckt es und hat ein rot-weiß rotes Gütesiegel auf der Verpackung; und sollte es einmal nicht schmecken wird es einfach mit einem kräftigen Schluck Bier, ebenfalls gebraut und abgefüllt in Österreich, aus demselben Supermarkt gekauft, hinuntergespült. Man muss der europäischen Union tatsächlich gratulieren. Sie hat es geschafft, die Grenzen derart zu öffnen, dass auch Kühe heute problemlos von Österreich nach Polen wandern können, dort von polnischen Bauern eingefangen werden, zurück nach Österreich gebracht und hierzulande geschlachtet werden, sodass sie ein AMA Gütesiegel erhalten. Ich frage mich, wie diese Geistesmenschen nur den Überblick behalten.
Nur die Oberflächen der Supermärkte sind unterschiedlich, vermitteln dem Käufer ein Muster von Optionen, zeigen dem Konsumenten seine Möglichkeiten. Dieser glaubt dann, frei entscheiden zu können, wohin er sein Geld steckt, und was er in sich hineinstopft. Natürlich weiß er nichts von den Duftstoffen, die durch die Ventilationssysteme in die Supermärkte gepumpt werden und zum Kauf animieren sollen oder von der gemeinen Regalordnung, die ihm nahe legt möglichst viel Mist zu kaufen, den er überhaupt nicht braucht, von den Farben und der Werbung aus den Lautsprechern, alles zum Zwecke, ihn schwach zu machen, seinen Willen zu brechen, sodass er irgendwann im Kaufrausch jegliche Zügel fallen lässt.
Aber all dies ist doch nur läppische Sozialkritik, die keinem hilft, ist geistige Selbstbefriedigung und pseudo- revolutionäres Gefasel angesichts der Zustände, die wirklich in den Supermärkten herrschen. Der Supermarkt ist nämlich das Jagdrevier des modernen Menschen. Überall potentielle Beute, überall Jagdrivalen.
Und ich stehe inmitten eines Gewirrs unterschiedlichster Menschen und es übermannt mich wie ein Stromschlag: der Jäger des modernen Zeitalters ist die Frau. Ich blicke durch die Gänge, sehe gestresste Hausfrauen von einem Sonderangebot zum Anderen jagen, sehe sie Preise vergleichen, angestrengt kopfrechnen, sehe, wie sie Verfallsdaten prüfen, wie sie aus Erfahrung Milchpackungen von den hinteren Ecken der Kühlregale schleifen, wie sie untersuchend Gemüse zerquetschen um es dann wieder zurück in den Korb zu werfen, sehe wie sie sich aneinander vorbei drängeln, zur Kasse stürmen, Bank- und Kundenkarten zücken, Geld zählen, Geld zurück nehmen, Rechnungen prüfen immer auf der Suche nach dem besten Angebot, nach dem ultimativen Preishit, nach möglichst viel Beute für möglichst wenig Geld. Und ich frage mich kurzerhand, ob ihnen all das wirklich nicht peinlich ist, ob sie es ertragen können, weil sie alle gleich handeln und sich so nicht- oder wenn für alle- schämen müssen. Ich nämlich muss mich fremd- schämen, jede Sekunde in dem Supermarkt ist die pure Peinlichkeit des Menschen, der sich ungeniert preisgibt.
Und neben den ungenierten Hausfrauen- Sklaven der noch ungenierteren Fernsehwerbung und ihrem eigenen Einkaufsstolz - sehe ich entnervte Männer, sehe mich selbst: am Einkaufswagen angelehnt, degradiert zum Helfer, keine Entscheidung geht von mir aus, ich darf nur den Wagen zu den aufgesuchten Regalen schieben, vorbei an all den anderen armen Hunden, die ebenfalls gekränkt am Einkaufswagen stehen und auf Befehle ihrer grausamen Frauen warten. Ich sehe die Männer die Wagen einräumen, sie packen, parken, chauffieren ihre Frauen von einem Sonderangebot zum Nächsten, kein Stolz, keine Kraft in den Augen. Degeneriert und untergeordnet, dem starken Geschlecht auf ihrem Gebiet willenlos ausgeliefert wünscht ein Jeder sich dasselbe: nie wieder in einen Supermarkt zu müssen.
Der Mann erträgt nicht, dass er sich durch den Fortschritt selbst überflüssig gemacht hat. Deshalb lenkt er sich davon ab, treibt Sport, arbeitet, schreibt schlaue Bücher oder betrinkt sich. Aber im Supermarkt kann er nicht anders, als sein Unglück zu erkennen, wie ein Spiegel wirft er ihm die gesellschaftlichen Parameter vor die Augen, reflektiert ihm seine eigene Unbrauchbarkeit.
Und die Hausfrauen rennen weiter wie verrückt ihre Kreise, entscheiden, im Billa keine Taschentücher zu kaufen und sagen ihren Männern: „Wir müssen noch Taschentücher im Hofer kaufen, die sind dort billiger und auch ganz gut.“ Und der Mann sagt nichts. Er lässt mit sich Geschehen, steigt ins Auto, fährt zum Hofer, nachdem der Hausverstand ihn zum wiederholten Male aus dem Lautsprecher auffordert, eine Kundenkarte zu registrieren, um Rabatt zu erhalten. Seine Gebieterin allerdings hat diese Karte schon lange, kein Wunder, wenn’s der Hausverstand empfiehlt, und spart dadurch stolze 1 Euro 76 Cent und hat durch die verblödeten Rechnereien eine derart unrunde Gesamtsumme, dass ihre Geldtasche den Eindruck einer Kupferschmiede erhält. Hauptsache gespart, egal wie viel. Das Geschäft verlassen in dem Glauben, gut eingekauft zu haben. Und vor dem Geschäft noch schnell einigen bekannten Hausfrauen von dem verbilligtem Gouda erzählen, sich als bewusste Einkäuferin ins rechte Licht rücken, zeigen: man weiß, was man kauft, man ist, was man isst, zeigen: man lebt bewusst. Dies ist der Zweck des Einkaufes, darum geht es. Dass die Hausverstand- Marketing Agentur dies längst erkannt hat und eiskalt genau darauf abzielt, es ausnützt, bleibt verschleiert.
So steht zwar nun seit 1 Woche Joghurt bei uns im Kühlschrank, das keiner frisst, aber immerhin war’s verbilligt. So fährt man 15 Minuten vom Billa zum Hofer, um 63 Cent bei Taschentüchern zu sparen, die unbemerkt in Benzinkosten fließen. So fühlt sich der Mann mit jedem Einkauf noch ein wenig elender, die Frau ein wenig stolzer. Sie entscheidet, was zu welchem Preis gegessen wird, was gut ist, was gesund ist und wie viel gewisse Produkte wert sind. Und das gesellschaftliche Produkt Mann hat auch seinen Wert: er schiebt die ganze Scheiße vor sich hin, bis ihm der Kragen platzt, er Frau und Kinder stehen und liegen lässt, weil er es nicht mehr länger ertragen kann, Objekt dieses Irrsinns zu sein, geht wieder auf die Jagd, reiht sich ein, in fortgeschrittenem Alter, in die zwischenmenschliche Billigproduktpalette des Tresens seiner Stammkneipe, wird benutzt, weggeworfen, recycled, ausgetauscht bis er sich seinen letzten Stolz hat nehmen lassen, seinen letzten klaren Gedanken hat weggesoffen, mit billigem Hofer Rum und Dosenbier.
Rein medizinisch gesehen war es nicht das schlecht differenzierte Karzinom, das beinahe ihre gesamte Leber und Teile der Galle befallen hatte. Auch nicht die Metastasen, die in ihrem Körperkreislauf zirkulierten führten letztendlich zu ihrem Tod.
Eine Chemotherapie sei die letzte Möglichkeit, den äußerst agressiven Krebs noch zu stoppen. Nicht um ihr Leben zu retten, sondern um es wenigstens zu verlängern.
Man kann den Ärzten nichts vorwerfen. Was tatsächlich passiert ist, ist rein medizinisch gesehen schnell erklärt: die Chemotherapie attackiert bekanntlich auch gesundes Zellgewebe, mit der Folge, dass die Zellwände der roten Blutkörperchen zerfallen, woraufhin Hämoglobin (der Blutfarbstoff) freigesetzt wird, die Sauerstoffanbindung an die roten Blutkörperchen - und somit der Sauerstofftransport im Körper - unterbunden wird.
Es handelte sich um eine Hämolyse.
Sie starb bei voller Lungenfunktion an Sauerstoffmangel, sie erstickte bei vollem Atem, erstickte mit gefüllten Lungen.
Es tut mir sehr leid, sagte der rein medizinische Notarzt nach diesen Erläuterungen, ich kann nichts mehr für sie tun.
Ich bedanke mich, werfe ihn hinaus, sehne mich nach Menschlichkeit, nicht nach Medizin, will alleine sein, nur für 10 Minuten.
Als sie mir an jenem Morgen sagt, sie bekomme keine Luft, denke ich, vielleicht ein kleiner Asthmaanfall, leicht gereizte Bronchien.
Ihr Inhalator, sagt sie, nütze ihr nichts, und es werde schlimmer.
Ich erhahne nichts Schlimmes. Ruhig gehe ich zum Telefon, tippe die Nummer unseres Hausarztes ein. Plötzlich höre ich ein beständiges, immer lauter werdendes Husten, schwerfälliges Atmen; ich werde nervös, lege den Hörer beiseite, rufe nach nebenan, ob alles in Ordnung sei. Angestrengt, als fehlte den Worten ebenso die Luft, ruft sie nach Hilfe, nach schneller Hilfe.
Ich rufe den Notarzt, der in 5 Minuten dasei, und laufe in ihr Zimmer, und erblicke ein kreidebleiches Gesicht.
Mich starrt kein Mensch mehr an, ich sehe die pure Angst anstelle ihres Antlitz.
Es sei so weit, sagt sie, ihr Ton unwirklich gelassen, nicht zu ihrem Gesicht passen wollend.
Dass der Notarzt kommt gibt ihr keine Hoffnung mehr. Das Grauen in ihrem Gesicht, Ausdruck ihres Unverständnisses, ihrer Hilflosigkeit hat sich in mein Hirn gebrannt wie kein Bild noch so schönem oder schrecklichem Inhalt.
Ich reiche ihr meine Hand, zittrig, wie ein kleines Kind, wie damals im Kindergarten, als sie mich zum ersten Mal alleine hatte stehen lassen, steht meine Hand im Raum, um ihr Kraft zu geben, dabei ist sie völlig kraftlos.
Ihr Griff ist kalt, stark, als wüsste sie in diesem Augenblick, dass ihr Leiden bald vorbei sein würde, meines aber noch bevorstand.
Ich blicke in ihre blauen Augen, Spiegel meiner eigenen Augen; schöne, blaue, jugendliche Augen; das letzte, das junggeblieben war, sage ich mir heute, sind ihre Augen, ist der Spiegel ihrer Seele, ihrer ewig jungen Seele.
Die Klingel. Ich will mich erheben, will meine Hand von ihrer nehmen, doch ihr Blick- ihr Mund ist längst mit dem Kampf mit der Luft beschäftigt- sagt mir Nein, ihr Griff sagt mir Nein.
Sei bei mir, sagen ihre Augen, in meinem letzten Augenblick, du bist alles, was ich habe.
Also bleibe ich. Ihre Lippen zittern, Mein Sohn, bringen sie geschwächt noch hervor. Sie weiß in diesem Moment, dass sie stirbt.
Es sollten ihre letzten Worte sein, und sie sagte es trotz ihrer Schwäche mit einer solch eingebungsvollen Stimme, als wollte sie es sich selbst einprängen, als wollte sie dieses Wissen von meiner Existenz als ihr Lebenswerk über ihre eigene Endlichkeit hinaus in die Ewigkeit mitnehmen.
Ich liebe dich, sage ich, aber sie hört nicht mehr. Sie weiß es, sage ich mir.
Wieder stehe ich da, in dem Kindergarten, von meiner Mutter alleine gelassen. Ich bin wieder ein Kind, hilflos; Rundherum stehen Menschen, die mir einreden wollen, dass alles in Ordnung sei, der Lauf der Dinge, Schicksal. Dass ich bei ihnen gut aufgehoben sei, sie mich unterstützen werden.
Aber ich bin alleine unter ihnen und sie wissen es.
Vielleicht sollte ich ihr gleich folgen, denke ich und spaziere zum See. Das Wasser dort gibt mir keine Hoffnung, auch nicht das Mondlicht, dass darauf ruht wie ein silberner Seidenvorhang; nein, einladend liegt der See vor mir, als wolle er mich aufnehmen in seine Ewigkeit, als wolle er mich zudecken, mit dem silbernen Vorhang.
Ich aber gehe nachhause und schreibe.
Tote wiegen mehr als Tausend Worte.
Die moderne Welt, so hört man oft, sei geschrumpft, ja sei winzig geworden. Diese vermeintliche Winzigkeit der Welt entsteht, das weiß der moderne Mensch auch ohne groß zu denken – tut er ja nicht allzu gerne -, durch den technischen Fortschritt. So weit, so gut. Nun wissen wir aus der Physik, dass rotierende Körper ihre Bahngeschwindigkeit erhöhen, wenn sie schrumpfen. Wenn also die Welt tatsächlich immer kleiner wird, so müssen wir auch festhalten, dass sie immer schneller wird. Ob der moderne Mensch so weit gedacht hat, bleibt fraglich. Allerdings möchte ich dem modernen Menschen nicht Dummheit vorwerfen, sondern Geschwindigkeit. Unter der Hektik und dem Druck, der auf dem Menschen lastet, wirkt die Forderung konsequenten Denkens im besten Falle als ein Scherz. Man bedenke schließlich, dass jene Ansprüche, die der moderne Mensch ans Leben stellt, als solche und für sich stehend utopische Ausmaße erreichen. Die Utopie des glücklichen, sorglosen Daseins ist natürlich von vornherein eine Utopie. Nun hängt allerdings diese Utopie auch noch mit Faktoren zusammen, die zu erträumen dem Schöpfer vor den Kopf stoßen müssten, wäre er da. Das Wollen als Motivation ist zwar eine menschliche Eigenschaft wie jede andere, wird jedoch im Kapitalismus unseres winzigen Globus zur einzigen Triebfeder einer Handlung, weswegen jene bei genauerer Betrachtung als grotesk, unnütz oder, meinethalben geistlos für den jeweiligen Betrachter sich entpuppt. Amüsant in diesem Zusammenhang bleibt für mich die unverständliche Wichtigkeit, die der Akteur selbst seiner Handlung zuschreibt, die sich darauf beläuft, etwas zu kaufen, zu konsumieren, zu betrachten. Der moderne Mensch hat zwar Lust auf Anspruchsvolles, Kultur und natürlich auch auf Kritisches jeglicher Art. Was der moderne Mensch aber außen vor lässt ist das Denken. Er will intelligent sein, er will wissen, aber er will nicht schaffen. Hierfür bezahlt er ganz einfach – oder unfassbar kompliziert – Andere. Und selbst diese Anderen scheinen der Gier des Konsums nicht auf Dauer standhalten zu können. Die Informationsflut, die jene bezahlten Denker und Kritiker von sich geben ersticken unter ihrem eigenen Konkurrenzdruck und der Flut an Meldungen, die eine Presseagentur tagtäglich in die Weiten des Webs versendet. Es geht um flächendeckende Quantität, um gut verpackte Kritik, die leicht verdaulich ist. Man will mitreden, informiert sein, aber eigene Gedanken verantworten scheint nicht angebracht. Aus diesem Grund wird auch heute noch über den Sozialismus debattiert, und welche Vorzüge er hat. Über den Kapitalismus, und welch verbrecherisches Schwein er ist. Und über Nationalismus und wie verboten er gehöre. Und über Ausländer, die abgeschoben werden sollten. Immer und immer wieder. Und jeder Ausweg aus einer dieser Diskussionen mündet an einem Eingang der Gegenseite für eine neue Diskussion. Und schließlich, wenn auf inhaltlicher Ebene alle Spannungen gegeneinander abgewogen wurden, und sich aus verzwickten Gründen (die eigentlich sehr simple Idealismus verwandte dogmatische Fundamente darstellen) wie üblich kein Konsens herstellt, wird auf persönlicher Ebene weiterdiskutiert, und sich Dummheit und allerlei anderes (ein paar Klassiker: Engstirnigkeit, Konservativismus, Intoleranz, etc.) vorgeworfen. Aber hieran kann es nicht liegen. Der Mensch als solcher ist nicht grundsätzlich dumm. Im Gegenteil, die Vernunftbegabung des Menschen kennt zumindest theoretisch keine Grenzen. Bei der geistigen Verarmung, die immer weitere Kreise zu ziehen scheint, geht es um Bequemlichkeit. Dass die Politik sich angesichts der Wirtschaftskrise ins Fäustchen lacht, hat nichts mit ihrer Dummheit zu tun, sondern damit, dass es einfach ist, jenen Managern, die noch vor wenigen Jahrzehnten die Landesväter von ihren Thronen stießen, heute vorzuwerfen, verantwortungslos gehandelt zu haben. Der Politiker von heute poliert hier sein geschwächtes Ego, das sehr stark unter kapitaldiktatorischen Tendenzen zu leiden hatte, und löst sich gleichzeitig los von jeder Schuld, da er ja schließlich unter diesem Diktat einer Gegenhandlung nicht fähig war. Der Zirkelschluss ist augenscheinlich, ebenso wie die Forderung nach mehr Staat in der Wirtschaft dieser Bequemlichkeit der Unverantwortung unterliegt und augenscheinlich ist. Allein die Forderung nach Verstaatlichung ist schwachsinnig angesichts der Tatsache, dass mehr Staat für jene Unternehmen, die den Staat finanziell tragen, ohne Staat überhaupt nicht mehr stehen könnten, wodurch auch der Staat selbst ins Wanken geriete. Ob diese Tendenz hin zum wankenden Staat noch aufzuhalten ist, bleibt Aufgabe einer anderen Diskussion. Hier geht es, substanzieller, um den modernen Menschen selbst, und um die Bequemlichkeit desselben, sich solange aus der Affäre zu ziehen, bis die Affäre ihn selbst zu ziehen beginnt. Und auch um die Bequemlichkeit, sich Gedanken vorsetzen zu lassen. Bequem daran ist vor allem, dass man Verantwortung tatsächlich abweisen kann, wenn die Gedanken nicht die Eigenen sind. Hieraus ergibt sich, wie bereits erwähnt, nicht ein Problem der Dummheit, sondern ein Problem der Ideenlosigkeit. Entstünde Neues, müsste man nicht heute noch stalinistisch- marxistisches Gefasel ertragen, und auch Debatten über einen politischen Rechtsruck (ob dieser nun tatsächlich festzustellen ist oder nur scheinbar, soll hier ebenso wenig beantwortet werden, wie der wankende Staat) könnte man sich ersparen. Das Problem, vor dem der Moderne Mensch steht, ist, dass er seine Welt nicht gestalten will, sondern sich selbst. Und da der moderne Mensch keinesfalls Rassist sein will, muss er gezwungenermaßen Sozialist sein, ist er dies nicht, so wird ihm entweder vorgeworfen, er sei Kapitalist, oder eben Rassist, oder meistens gleich beides. Es fehlt dem modernen Menschen die denkerische Alternative, und er selbst ist nicht imstande, diese zu schaffen. Und so dreht sich die Welt immer und immer schneller um dieselben alten Fragen, ohne je Antworten zu erhalten, ihrem eigenen Kollaps entgegen. Diese etwas theatralische Vision des Kollaps darf der denkende Mensch von heute nun auslegen, wie er will. Im Repertoire des Autors: ökonomische Krise, Klimakrise bzw. ökologische Krise, Glaubenskrieg, Terrorismus.
Wirklich plagend ist jedoch nicht die Angst vor einer globalen Krise, denn um diese abzuwehren, scheint mir der Mensch schlau genug. Wirklich grausam ist die Vorstellung des denkerischen Stillstands, der seit dem Ende des 2. Weltkriegs zumindest auf politisch- gesellschaftlicher Ebene den alten Kontinenten in alte Kategorien presst und hemmt und jeden Fortschritt im Keim erstickt.